Väter und Postpartale Depressionen
Über psychische Krankheiten von Vätern nach einer Geburt weiss man noch weniger als über solche bei Frauen, obgleich sich die Forschung immer mehr für diese Gruppe interessiert. Studien zufolge erkranken rund 10 Prozent der Väter an postpartalen Depressionen (1). Jedoch ist zu erwarten, dass eine grosse Dunkelziffer besteht.
Der Zeitraum mit dem höchsten Vorkommnis an väterlichen postpartalen Depressionen liegt zwischen dem 3 bis 6 Lebensmonat nach der Geburt (1), ist also oft etwas zeitversetzt im Vergleich zu einer postpartalen Depression bei Frauen. Risikofaktoren sind u.a. eine vorherige Depression, belastende Lebensumstände (bspw. finanzielle Sorgen), mangelnde Unterstützung vom Umfeld (2), Paarprobleme, die soziale Stellung (3) und unerfüllte Erwartungen an das Familienleben (4). Diskutiert wird auch, inwiefern hormonelle Veränderungen beim Mann einen Einfluss auf die Entwicklung einer postpartalen Depression beim Vater spielen (5). Man geht davon aus, dass der Testosteronwert beim Mann nach Geburt im Schnitt um 30 Prozent im Wochenbett sinkt (6). Eine Reaktion der Natur auf die neue Rolle, mit dem Ziel, Väter enger an die Familie zu binden. Der tiefere Testosteron-Level ist jedoch ein Risikofaktor für die männliche Depression. Auch hier ist Aufklärung gefragt, damit frischgebackene Väter diese Veränderung verstehen und annehmen können. Zudem fehlen ihnen meist passende Rollenbilder, an denen sie sich orientieren können, da die eigenen Väter noch oft wenig oder gar nicht in die Versorgung und Fürsorge der Kinder involviert waren. (7)
Einer der grössten Risikofaktoren scheint aber die Erkrankung der eigenen Partnerin zu sein. Darauf weist die Literaturstudie hin, welche im Auftrag des Vereins Postpartale Depression Schweiz, von der Hochschule Luzern zur „Rolle der Väter bei postnatalen Depressionen“ erarbeitet wurde. (8). In jener wird erläutert, dass zwischen 24 und 50 Prozent der Männer, deren Partnerinnen an einer Postpartalen Depression leiden, später selbst an einer erkranken. Insofern könnte man von einer „depressiven Ansteckung“ sprechen.
Erscheinungsbild & Diagnostik
Oft neigen Männer noch stärker als Frauen dazu, psychische Probleme zu verdrängen. Auch Hilfe in Anspruch zu nehmen, fällt ihnen häufig besonders schwer. Da viele Männer oft weniger offen über ihre Gefühle sprechen und ihre Berührungspunkte mit Fachpersonen noch seltener sind, wird eine postpartale Depression bei Vätern selten diagnostiziert. Deshalb besteht die Gefahr, dass ihre Symptome unterschätzt werden bzw. unerkannt bleiben. Zusätzlich erschwerend für die Erkennung einer väterlichen postpartalen Depression ist die Annahme, dass sich eine Depression bei Vätern anders als bei betroffenen Müttern äussert, z.B. mit Wut und Reizbarkeit (8) oder auch durch eine Neigung zu vermehrten Aktivitäten ausser Hause, sei dies in der Arbeit, beim Sport oder beim Konsum (Gamen, Alkohol) (9).
Ausblick
Es ist zu wünschen, dass die väterliche postpartale Depression mehr Aufmerksamkeit in der Forschung wie auch in der Praxis findet. Voraussetzung hierfür ist es, dass es für Berufsgruppen im Frühbereich, aber es auch in unserer Gesellschaft, selbstverständlich wird, interessiert nachzufragen, wie es um die Befindlichkeit beim Vater steht. Eine Orientierung dafür zeigt der "Leitfaden für die Arbeit mit Vätern im Frühbereich" auf (10).
Eine unerkannte Depression ist für Betroffene schon belastend genug, aber im Falle einer unbehandelten väterlichen (oder elterlichen) Depressivität gilt es auch ungünstige Auswirkungen auf die gesamte Familie zu vermeiden. Folglich sollte in der Behandlung einer postpartalen Depression, neben den psychotherapeutischen Einzelgesprächen und der Möglichkeit der medikamentösen Unterstützung, der Partner oder die Partnerin stets mit einbezogen werden und der Alltag und der Umgang mit dem Baby sowie Entlastungsmöglichkeiten thematisiert werden.
Hilfreiche Adressen/Kontakte für Väter
In unserer Fachpersonen-Liste finden Sie unter der jeweiligen Fachperson bzw. Organisation in Ihrer Nähe einen Hinweis, ob eine spezielle Väter-Therapie möglich ist. Zudem haben wir in unserer Liste der stationären Mutter-Vater-Kind Plätze aufgeführt, ob auch Väter mit ihrem Kind unterkommen können. Leider gibt es bis jetzt nur sehr wenige Möglichkeiten betroffene Väter stationär mit ihrem Kind zusammen zu behandeln.
Quellen
(1) Paulson JF, Bazemore SD. Prenatal and postpartum depression in fathers and its association with maternal depression. JAMA, 2010;303:1961-1969.
(2) Edward K.-L., Castle D., Mills C., Davis L., Casey J. (2015). An integrative review of paternal depression. American Journal of Men’s Health, 9(1) 26–34.
(3) Bergstrom M. (2013). Depressive symptoms in new first-time fathers: Associations with age, sociodemographic characteristics, and antenatal psychological well-being. Birth: Issues in Perinatal Care, 40(1), 32–38.
(4) Bielawska-Batorowicz, E., Kossakowska-Petrycka, K. (2006). Depressive mood in men after the birth of their offspring in relation to a partner's depression, social support, fathers' personality and prenatal expectations. Journal of Reproductive and Infant Psychology, 24:1, 21- 29.
(5) Scarff JR. Postpartum depression in men. Innovations in Clinical Neuroscience, 2019;16:11-14.
(6) Welsch, J. (2011): https://www.scientificamerican.com/article/fatherhood-lowers-testosterone-keeps-dads-at-home/
(7) Thomas, Liji (2019): https://www.news-medical.net/health/Causes-of-Postnatal-Depression-in-Fathers.aspx
(8) Schraner, M. & Meier Magistretti, C. (2016): Die Rolle der Väter bei postnatalen Depressionen. In: Hochschule Luzern. Im Auftrag des Vereins Postnatale Depression Schweiz.
(9) Carlberg, M., Edhborg M., Lindberg L. (2018). Paternal Perinatal Depression Assessed by the Edinburgh Postnatal Depression Scale and the Gotland Male Depression Scale: Prevalence and Possible Risk Factors. American Journal of Men’s Health, Jul; 12(4): 720–729.
(10) Veskrna L (2010) Peripartum depression – does it occur in fathers and does it matter? Journal of Men’s Health 7(4): 420–30
(11) Borter A., Garstick E., Lenz H-J., Ryser R., Walter H. (2017), Leitfaden für Fachkräfte zur Arbeit Vätern im Frühbereich. Schweizerisches Institut für Männer- und Geschlechterfragen.