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Mehrlingsrisiko

Mehrlingsrisiko

Mehrling zu sein und Mehrlinge zu erwarten, ist etwas ganz Besonderes. Menschen, die dieses erleben, beschreiben oft eine einzigartige Verbindung, die sich vom «normalen» Geschwistersein unterscheidet. In diesem Artikel widmen wir uns dem Zusammenhang von Mehrlingsschwangerschaften und postpartalen Depressionen.

Die Zahl der Zwillings- und Mehrlingsgeburten nimmt seit Jahren mit steigender Tendenz weltweit zu, was auf diverse Faktoren (besonders durch die moderne Reproduktionsmedizin, erhöhtes Alter der Gebärenden) zurückzuführen ist.Konkret bedeutet es, dass 2020 in der Schweiz unter 85'914 Kindern (Lebendgeburten) 1347 Mehrlingsgeburten registriert wurden. Das Bundesamt für Statistik macht jedoch keinen Unterschied bei den Mehrlingsgeburten, ob es sich dabei um Lebend- oder Todgeburten handelt. Im vergangenen Jahr gab es eine Vierlingsgeburt, 19 Drillingsgeburten und 1327 Zwillingsgeburten.Eine Studie des Universitätsspitals Zürich aus dem Jahr 2011 zeigte bereits, dass Drillingsschwangerschaften in der Schweiz aufgrund von künstlicher Befruchtung zunehmen.3

Aktuelle Forschungsergebnisse

Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2018 (schrifliche und Direktbefragung von Zwillings- und Drillingseltern 241 Elternteile, davon 197 Mütter, 20% durch künstliche Befruchtungen) bestätigt, dass Zwillings- und Drillingseltern ein erhöhtes Risiko haben an Depressionen, Angstzuständen oder anderen psychologischen Problemen zu erkranken.

Die Schwierigkeiten und Krankheitsbilder treten am meisten in den ersten drei Lebensmonaten der Kinder auf. Der Grossteil der Teilnehmer hatte mässige Beschwerden, wobei hingegen 25% über Unwohlsein und allgemeine Angstzustände klagten und 14% Symptome einer schwerwiegenden Depression zeigten. Wenn die Kinder zu früh geboren wurden und die Familie über ein geringes Einkommen verfügte, die Eltern nicht verheiratet waren, stieg die Wahrscheinlichkeit an einer Depression zu erkranken.4

Darüber hinaus berichteten mehrere Eltern in dieser Studie, dass sie durch das parallelle und permanente Umsorgen zweier Säugline Stress empfinden und vor allem sagten die Mütter aus, dass sie schlecht schlafen würden, was nach Forschermeinung in einem starken Zusammenhang mit Angst- und Depressionszuständen stehe. Interessant ist ausserdem, dass 60% der an dieser Studie teilgenommenen Eltern ausgesagt haben, dass sie sich nicht ausreichend durch das medizinische Fachpersonal informiert gefühlt haben. Darausfolgend empfiehlen die Wissenschaftler den Fachpersonen der frühen Kindheit Mehrlingseltern bereits vor der Geburt auf die Risiken einer mentalen Krankheit hinzuweisen.5

Eine weitere Studie, jene der Gynäkologin Leila Unkila Kallio arbeitete heraus, dass Eltern, welche durch eine künstliche Befruchtung Zwillinge erwarten bis zur Geburt gelassener sind. Dieses wird damit erklärt, dass die Paare im Voraus wissen, dass die Wahrscheinlichkeit stark erhöht ist Mehrlingseltern zu werden und die Freude endlich schwanger zu sein, überwiegt. Ebenfalls stellte sie fest, dass Mütter, die unerwartet Zwillinge bekamen, in der Schwangerschaft seelisch am angespanntesten waren. Zwillingsmütter, die künstlich befruchtet wurden, ähnelten mehr den Einzelkindmamas. Nach der Geburt konnte jedoch bei Zwillingsmüttern und -vätern, unabhängig von der Art der Empfängnis, festgestellt werden, dass ihre Nerven sehr stark strapaziert wurden. Hingegen blieben Einlingseltern im Vergleich relativ entspannt. In der Folge kam Frau Unkila Kallio zu dem Ergebnis, dass es für die Psyche vorteilhaft wäre, wenn Reproduktionsmediziner es schaffen könnten, Mehrlingsschwangerschaften für das körperliche und psychische Wohl zu begrenzen.

Ihre Ergebnisse erhielt diese Frauenärztin, indem ihr Team zum einen 367 Einzelkindeltern mit 91 Zwillingseltern verglich, welche durch Reproduktionsmedizin entstanden sowie zum anderen 370 Einzelkindeltern mit 20 Zwillingseltern, die natürlich gezeugt wurden. Die Teilnehmer sind an drei verschiedenen Zeitpunkten interviewt worden (letztes Schwangerschaftstrimester, als die Säuglinge zwei Monate alt gewesen sind, nach 12 Lebensmonaten der Kinder). Dabei zielten die Fragen auf das soziale Verhalten, Angstsymptome, Depression und Schlaflosigkeit ab.6

Mehrlingsschwangerschaft = Risikoschwangerschaft

Zwillingsschwangerschaften sind bekannt für ein erhöhtes Risiko für Komplikationen, Schwangerschaftsdiabetes, kleinere Geburtsgewichte, Gebärmutterprobleme, Infektionen, Kaiserschnitte und Frühgeburten. Folglich kann es sein, dass Schwangere krankgeschrieben werden, viel liegen müssen und auch der professionnelle und soziale Kontakt abnimmt. Ausserdem machen sie sich oft Gedanken und werfen sich dieses zugleich vor, da sie in Sorge sind, dass die Kinder es spüren.7

Schon die Bekanntgabe einer Mehrlingsschwangerschaft kann grosse Ängste, aber auch Freude auslösen. Der familiäre Kontext und die Ursprungsfamilie spielen hier eine sehr grosse Rolle für den Gefühlszustand. Interessant ist, dass werdende Zwillingsväter, besonders bei einem Jungen und einem Mädchen, oft besonders stolz sind und erstgebärdende Frauen sich als besonders sehen und sehr mütterlich fühlen (Pons, Charlemaine et Papiernik, 2006).8

Die erwähnten Risikofaktoren und eine mögliche Trennung zwischen Mutter und Kind/Kindern nach der Entbindung (Vollnarkose, Frühgeborenenstation) erhöht ebenfalls die Wahrscheinlichkeit an einer Postpartalen Depression zu erkranken, denn die Mamas machen sich oft Vorwürfe aufgrund des Kaiserschnitts versagt zu haben. Zudem kommt, dass es auch für die Babys seltsam ist von einem Geschwisterchen getrennt zu sein oder die Mutter Schuldgefühle entwickelt, wenn es nur einem der Säuglinge gesundheitlich gut geht. Bei eineiigen Zwillingen kann es zudem passieren, dass die Mutter starke Schwierigkeiten hat, ihre Babys auseinanderzuhalten, was ihr ebenfalls psychisch zusetzen kann, aber am Anfang normal ist und im Laufe der Zeit keine Schwierigkeit mehr darstellt. Auch unerwartete Kaiserschnitte und Kaiserschnitte unter Vollnarkose erhöhen das Risiko an einer Postpartalen Depression zu erkranken.9

In einer weiteren Studie von Robin et Casati mit 200 Zwillingsfamilien ist festgestellt worden, dass ein Viertel der Mütter depressive Erfahrungen in den ersten Monaten hatten. Thorpe et al. sprechen bis zum 5. Lebensjahr für Zwillingsmütter von einem dreifach erhöhten Risiko an einer Depression zu erkranken anstatt bei einem Einling.10

Prävention

Holen Sie sich Hilfe und nehmen Sie Hilfe an. Schonen Sie sich, wo es nur möglich ist. Dies sollten Sie für jeden Lebensbereich nutzen: im Haushalt, in der Betreuung der Kinder oder in allem anderem, was Ihnen hilft. Heute können Sie sich zum Beispiel problemlos die Einkäufe nach Hause liefern lassen, da es einfach alleine unmöglich ist mit zwei oder mehr Säuglingen einzukaufen und ggf. noch älteren Geschwisterkindern. Bitten Sie Familie und Freunde keine Spielsachen zu schenken, sondern Zeit zur Entlastung der Eltern, Hilfe für die Kinderbetreuung oder zubereitete Speisen. Rufen Sie Ihre Krankenkasse an, um nachzufragen, ob Sie zum Beispiel das Recht auf einer Haushalthilfe haben, nachdem Sie aus dem Krankenhaus kommen.

Und vor allem: Sofern Sie oder die betroffenen Eltern bereits in der Schwangerschaft merken/merkt, dass Sie psychisch angespannt sind, warten Sie nicht, sondern suchen Sie professionnelle Hilfe, die Ihnen auch nach der Geburt beistehen kann.

Fazit

Die Geburt und das Leben mit Mehrlingen ist eine grosse körperliche, psychische, finanzielle sowie soziale Herausforderung über Monate und gar Jahre.11 Diverse Studien belegen dieses und darausfolgend sind Mehrlingseltern eine Risikogruppe für Erschöpfungszustände bis hin zu Postpartalen Depressionen. Um sich abschliessend der grossen Aufgabe bewusster zu werden, haben Robin et al. herausgearbeitet, dass Zwillingsmütter nach der Rückkehr aus dem Spital im Durchschnitt 14 Mahlzeiten in 24 Stunden geben. Die Zeit für die Säuglingspflege (Kinder zu Bett bringen, umsorgen, kuscheln, Essen geben, waschen, Windeln wechseln, Wäsche ordnen…) wurde mit durchschnittlich 12 Stunden täglich eingeschätzt. Hinzu kommt, dass die Frauen auch noch den normalen Haushalt machen. Diese zeitliche und körperliche Überforderung sind Teil der krankheitsanfälligen Psyche. Der Grossteil der Frauen ist konfrontiert mit einer anders gewünschten Realität, besondern bei Erstgebärenden, umso wichtiger ist es deshalb aufmerksam zu sein.12

Aufgrund der neuesten Studienergebnissen ist es umso bedeutender, auf sich oder Betroffene aus dem Familien- und Freundeskreis zu achten, denn das Risiko bei mehrfachem Glück auf einmal, bringt auch Gefahren mit sich.

Weiteres Angebot 

In unserem Verein haben wir ein Vorstandsmitglied und eine Mitarbeiterin, die nach der Geburt von Mehrlingen an Postpartaler Depression erkrankt sind. Wenn Sie einen Austausch wünschen, können Sie uns gerne eine Email senden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Quellenangaben

1 https://www.chuv.ch/fileadmin/sites/umr/documents/dgo-umr-jumeaux.pdf

2 https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/geburten-todesfaelle/geburten.html

3 https://www.rts.ch/info/sciences-tech/3682449-toujours-plus-de-triples-naissent-en-suisse.html

4https://journals.lww.com/practicalpsychiatry/Abstract/2018/05000/Perinatal_Mental_Health_Treatment_Needs,.4.aspx

5 https://www.focus.de/gesundheit/baby/news/zwillinge-psychostress-im-doppelpack_aid_316704.html

https://www.cairn.info/revue-enfances-et-psy-2007-1-page-10.htm#no2

https://www.cairn.info/revue-enfances-et-psy-2007-1-page-10.htm#

8 Feenstra, Coks : Das grosse Zwillingsbuch : Ratgeber für Schwangerschaft, Geburt und glückliche Kindheit. 2. Auflage, Weinheim, Basel : Beltz, 2012, S. 104.

9 http://www.pediatre-online.fr/jumeaux/impact-psychologique-des-jumeaux-sur-les-enfants-et-leurs-parents/

10 https://www.cairn.info/revue-enfances-et-psy-2007-1-page-10.htm#

11 http://www.pediatre-online.fr/jumeaux/impact-psychologique-des-jumeaux-sur-les-enfants-et-leurs-parents/

12 Robin et al. (1996): Childcare patterns of mothers of twins during the first year. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/8735445/

Oktober 2021